Wenn du dachtest, der Winter in deiner Heimat sei „kalt“, dann halt dich fest: Es gibt einen Ort, an dem es so frostig ist, dass selbst die Thermometer an ihre Grenzen stoßen. Willkommen in Oimjakon, dem kältesten bewohnten Ort der Welt! Hier wird Kälte auf ein ganz neues Level gebracht. Doch wie lebt es sich eigentlich in einer Region, in der die Temperatur locker auf −67,7 Grad Celsius fallen kann? Zieh dir warme Gedanken an, denn wir nehmen dich mit auf eine Reise in den sibirischen Permafrost.
Wo liegt Oimjakon? Eine Expedition ins eisige Herz Sibiriens
Oimjakon liegt im Fernen Osten Russlands, in der Region Jakutien (auch Sacha genannt), etwa 7.000 Kilometer östlich von Moskau. Eingebettet in ein abgelegenes Tal, umgeben von Bergen und Wäldern, ist Oimjakon eine kleine Siedlung mit etwa 500 Einwohnern. Der Name des Ortes bedeutet übersetzt „Warmes Wasser“ – ein ironischer Kontrast, bedenkt man die extremen Temperaturen. Der Name stammt von einer heißen Quelle in der Nähe des Dorfes, die auch im tiefsten Winter nicht zufriert.
Die geografische Lage in einer Senke verstärkt die extreme Kälte. Kalte Luft sammelt sich hier und verweilt, da sie durch die umliegenden Berge eingeschlossen wird. Das Resultat? Temperaturen, bei denen selbst erfahrende Winterliebhaber schaudern.
Der Rekord, der alles übertrifft
Der absolute Kälterekord von Oimjakon wurde am 6. Februar 1933 gemessen: −67,7 Grad Celsius. Diese Temperatur ist offiziell die niedrigste, die jemals in einer permanent bewohnten Siedlung registriert wurde. Nur die Antarktis kann in Sachen Kälte noch mithalten, doch dort lebt bekanntlich niemand dauerhaft.
Zum Vergleich: Dein durchschnittlicher Tiefkühler schafft es auf etwa −18 bis −20 Grad Celsius. In Oimjakon ist es also mehr als dreimal so kalt wie in deinem Gefrierschrank. Unter solchen Bedingungen gefriert sogar Benzin in Autos, und das Atmen fühlt sich an, als würden tausend Nadeln durch die Lunge stechen.
Alltag in der Tiefkühltruhe der Natur
Aber wie lebt man in einem Ort, an dem der Winter acht Monate lang dauert und das Thermometer nur selten über den Gefrierpunkt klettert? Die Einwohner Oimjakons, die sogenannten Jakuten, haben sich seit Jahrhunderten an die extremen Bedingungen angepasst. Ihre Lebensweise ist beeindruckend und lehrt uns, wie widerstandsfähig der Mensch sein kann.
Kleidung: Der Zwiebellook ist Pflicht. Pelzjacken, Filzstiefel und mehrere Lagen Wollkleidung sind Standard. Alles andere wäre ein direkter Weg in die Erfrierungen.
Ernährung: Die lokale Küche besteht hauptsächlich aus Fleisch und Fisch. Besonders beliebt ist Stroganina – roher, gefrorener Fisch, der in dünnen Streifen geschnitten wird. Früchte und Gemüse sind in der Region rar, weshalb die Nahrung eher proteinreich ist.
Transport: Autos müssen in beheizten Garagen geparkt werden, sonst springen sie nicht mehr an. Viele Einwohner nutzen stattdessen Schneemobile oder Pferdeschlitten.
Heizung: Holzhöfen und Kohle sind unverzichtbar. Stromausfälle könnten bei diesen Temperaturen lebensbedrohlich sein.
Herausforderungen der Extreme
Das Leben in Oimjakon ist nicht nur kalt, sondern auch eine logistische Meisterleistung. Wasserleitungen gibt es hier nicht, weil sie sofort einfrieren würden. Stattdessen holen die Bewohner ihr Wasser aus Flüssen oder Brunnen – oft mit Hacken und Schaufeln, um durch das dicke Eis zu gelangen.
Schulen bleiben selbst bei Temperaturen von −50 Grad Celsius noch geöffnet. Erst wenn die Temperaturen darunter fallen, dürfen die Kinder zu Hause bleiben. Ein ganz normaler Wintertag eben.
Die medizinische Versorgung ist ebenfalls eine Herausforderung. Krankenwagen benötigen oft spezielle Anpassungen, um in der Kälte zu funktionieren, und die nächste Klinik ist oft viele Stunden entfernt. Doch trotz aller Schwierigkeiten scheinen die Menschen von Oimjakon erstaunlich gesund und zufrieden zu sein.
Naturphänomene: Eine Kulisse wie aus einem Wintermärchen
Auch wenn die Kälte in Oimjakon fast surreal wirkt, hat die Region eine unvergleichliche Naturschönheit. Die schneebedeckten Berge, die klare Luft und die unberührte Wildnis machen die Umgebung zu einem Paradies für Abenteurer und Fotografen.
Ein besonderes Highlight ist die Polarlichtersaison. An klaren Nächten tanzen die grünen und violetten Schleier am Himmel und bieten eine unvergessliche Show der Natur. Die Stille der Landschaft, unterbrochen nur vom Knirschen des Schnees, verstärkt das Gefühl, an einem der abgelegensten und zugleich magischsten Orte der Welt zu sein.
Ein Ort, der fasziniert
Oimjakon mag der kälteste bewohnte Ort der Welt sein, aber er ist weit mehr als nur eine Statistik. Die Bewohner trotzen der Natur mit einer beeindruckenden Anpassungsfähigkeit, und die einzigartige Landschaft bietet eine unvergleichliche Kulisse. Oimjakon ist ein Symbol dafür, wie vielseitig das Leben auf unserem Planeten sein kann – selbst unter den extremsten Bedingungen.
Falls du jemals die Chance haben solltest, diesen eisigen Ort zu besuchen, vergiss nicht, deine dickste Winterjacke einzupacken. Aber Vorsicht: Selbst die wärmste Kleidung reicht vielleicht nicht aus, um der Kälte von Oimjakon standzuhalten. Trotzdem lohnt sich ein Besuch – denn wo sonst kann man behaupten, an einem Ort gewesen zu sein, der kälter ist als ein Tiefkühler?


